Am Donnerstag, den 18. Juni 09 waren alle Interessierten zur Gebietskonferenz "10 Jahre Quartiersmanagement Sparrplatz" eingeladen. Im gut besuchten PrimeTimeTheater wurde diskutiert und gefeiert.
Mit einem Dank an das Team vom prime time theater, Gastgeber für die Gebietskonferenz und deren rund einhundertfünfzig Besucher/innen, eröffnete Quartiersmanagerin Alexandra Kast den Abend und begrüßte als ersten Redner den Bürgermeister des Bezirks Mitte, Dr. Christian Hanke.
Hanke hielt zunächst fest, in den zehn Jahren des Programms "Soziale Stadt" sei schon sehr viel erreicht worden. Während es anfangs eher Bauprojekte waren, die das Gesicht des Sprengelkiezes veränderten, rückten bald darauf soziokulturelle Maßnahmen und eine bessere Bürgerbeteiligung in den Vordergrund. Tatsächlich, und dafür bedankte er sich, hätten die Bürger/innen deutlich mehr Verantwortung für ihren Stadtteil übernommen und seien viele wichtige Projekte dem Kiez zugute gekommen.
Der Bezirksbürgermeister nannte auch ganz klar die wunden Punkte: Laut Sozialmonitoring – einer wissenschaftlichen Studie zur Entwicklung in den Berliner Kiezen – seien soziale Eckdaten, wie z.B. die Arbeitslosigkeit oder die Schulabbrecherquote, nach wie vor alarmierend. Doch das liege nicht am QM, das vielmehr mit dafür gesorgt habe, dass diese Gebiete nicht von dem Rest der Stadt abgekoppelt würden.
Im Bezirk Mitte, so Hanke, wird die Zusammenarbeit der Fachverwaltungen noch weiter verbessert. Geplant sind ein "Bildungspakt Mitte" und weiterhin viel Sprachförderungs- und Integrationsmaßnahmen, damit zukünftige Generationen nicht "für die Gesellschaft verloren" gehen.
Und wie sehen die Bewohner/innen ihren Sprengelkiez? Dorit Müller vom QM Sparrplatz präsentierte im Anschluss die Ergebnisse einer repräsentativen Anwohnerbefragung. Die Mehrheit sieht die Arbeit des QM positiv. 70% finden, dass sich die Lebenssituation im Kiez verbessert hat. Das Miteinander und die multikulturelle Atmosphäre im Kiez sind bei den Bürger/innen sehr beliebt, dicht gefolgt von den öffentlichen Plätzen und Grünflächen, den Jugendeinrichtungen und der zentralen Lage des Kiezes. Minuspunkte: Die Trinkerszene ist den meisten Menschen ein Dorn im Auge, gefolgt von Dreck, Hundekot und auch Gewalt. (Hier eine kurze Zusammenfassung der Befragung)
Auf der nun folgenden Podiumsdiskussion, moderiert von Alexandra Kast, kamen Aktive aus dem Stadtteil zu Wort: Monika Hartwig von "Arbeit und Nachbarschaft" gestand zu Beginn, dass sie den Sprengelkiez früher persönlich eher als "kriminelle Hochburg" empfunden hat. Heute gehe ihr oft das Herz auf wegen des tollen Engagements vieler Menschen hier. Auch das Sicherheitsgefühl sei viel besser geworden und die Zusammenarbeit mit der Polizei sei, z.B. beim Thema "Häusliche Gewalt", sehr gut.
Sandra Lenke von den "Kiezpatenschaften" stellte ihr Projekt vor und freute sich über das vorbildliche Engagement der Ehrenamtlichen, die sich als Paten für Jugendliche vor allem arabischer Herkunft einsetzen.
Frank Thurley, Lehrer an der Brüder-Grimm-Grundschule, sorgte sich, dass manche Eltern sich nicht gut genug um ihre Kinder kümmern, während andere lieber wegzögen. Die Schulen bräuchten deshalb mehr Ressourcen. Alle waren sich einig, dass es besonders wichtig sei, hier im Sprengelkiez voneinander zu wissen und gut miteinander vernetzt zu sein, so wie es das QM seit zehn Jahren unterstützt.
Von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung war die Staatssekretärin Frau Hella Dunger-Löper zur Feier gekommen. In ihrer Rede sprach sie vom QM als „echter Erfolgsgeschichte“. Mit vielen, auch längerfristigen Projekten wie der Stadtteilgenossenschaft oder dem Lotsenprojekt „die Brücke“ sei eine sehr positive Entwicklung in Gang gekommen.
Der Senat wolle einige der Erfahrungen aus dem Programm "Soziale Stadt" in einer „Rahmenstrategie Soziale Stadtentwicklung“ (http://www.quartiersmanagement-berlin.de/Soziale-Stadtentwicklung-voranbringen.2385.0.html) auf ganz Berlin übertragen. Die Erfahrungen aus dem QM in Bezug auf Bürgerbeteiligung, ressortübergreifende Kooperation und Sozialraumbezug sollen damit für die ganze Stadt nutzbar gemacht werden.
Gerade der Bezirk Berlin-Mitte sei in puncto ressortübergreifende Zusammenarbeit ein Vorzeigebeispiel. Auf jeden Fall werde das QM sicher noch eine Weile fortgeführt, ob weitere zehn Jahre oder kürzer, ließ die Staatssekretärin dabei offen.
Vor der zweiten Podiumsdiskussion verlas Alexandra Kast ein Grußwort von Helene Böhm von der GESOBAU AG (mehr hier). Dann diskutierten Hella Dunger-Löper (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung), Willy Achter (Kommunales Forum Wedding e.V.), Dr. Franziska Becker (Konfliktagentur) und Siemen Dallmann (Quartiersrat) über die Zukunftsaussichten für den Sprengelkiez. Willy Achter betonte die Bedeutung von sinnvollen und wohnortnahen Arbeitsplätzen, wie sie z.B. die Stadtteilgenossenschaft Wedding e.G. oder das SprengelHaus mit derzeit 40 ÖBS-Stellen bieten.
Frau Dunger-Löper war der Ansicht, eine Bürgerstiftung sowie die Bildungseinrichtungen vor Ort könnten eine zentrale Rolle spielen. Siemen Dallmann brachte Beispiele dafür, wie gute Projekte das Interesse an ehrenamtlichem Engagement fördern können, wie z.B. der Lebendige Adventskalender mit vielen neuen Kontakten.
Auf die Frage, wie man die Menschen denn „bei der Stange halten“ könne, sagte Dr. Franziska Becker, dass die Identifikation mit dem Kiez für Ehrenamtliche wichtig sei. Doch auf dem Podium war man sich auch einig, dass allein bürgerschaftliches Engagement nicht ausreiche, dieses brauche (bezahlte) Strukturen zur Unterstützung. Und es sollten Fördermittel dort eingesetzt werden, wo sie besonders benötigt werden, nämlich z.B. für Bildung in benachteiligten Stadtteilen. Bei diesen Förderentscheidungen könnte das Sozialmonitoring eine stärkere Rolle spielen.
Kritisch sahen viele Quartiersräte die Gefahr, dass von Kürzungen bedrohte Projekte stattdessen aus Fördermitteln der "Sozialen Stadt" bezahlt werden. Auch aus dem Publikum war die Sorge zu vernehmen, dass aufgrund der Haushaltskrise in Mitte die soziale Infrastruktur wegbrechen könnte. Dies sei dann auch nicht durch das QM und die Quartiersratsprojekte auszugleichen.
Auf der Bühne folgte nun ein fröhliches Gedränge: Die Staatssekretärin überreichte Ehrenamtsurkunden an alle, die sich in den letzten zwei Jahren in einem der beiden Gremien engagiert hatten. Verantwortungsreich und zeitintensiv war die Arbeit des bisherigen Quartiersrates. Auf insgesamt 24 Sitzungen wurde heiß darüber diskutiert, was den Sprengelkiez am meisten nach vorne bringt. Der Vergabebeirat trat zwölfmal zusammen, um über die Förderung kleinteiliger Projekte zu entscheiden.
Von der Seniorin bis zum Unternehmer, von der türkischen Mutter bis zur afrikanischen Krankenschwester haben sie alle viel freie Zeit für den Sprengelkiez geopfert. Es kann gar nicht oft genug betont werden, wie wichtig diese Mitarbeit für den Erfolg des QM Sparrplatz und des Programms „Soziale Stadt“ wirklich ist. Dankeschön!
Nach einer Pause, die zum Erfrischen, Rauchen, Vertilgen des leckeren Buffets und lebhaftem Diskutieren genutzt wurde, kam endlich die Vorstellung der 63 Kandidatinnen und Kandidaten für die Quartiersrats- und Vergabebeiratswahl dran. Sie begründeten kurz, aus welchen Gründen sie sich zur der Wahl stellen. Prima, dass so viele, ganz unterschiedliche, junge und alte Menschen Lust haben, aktiv für ihre Nachbarschaft einzutreten.
Die Wahlberechtigten, derart frisch informiert, stürmten sogleich an die Wahlurne im Foyer des prime time theaters und gaben ihre Stimme ab. Der Andrang auf die Wahlurne war groß, denn gleich im Anschluss sollte das vielversprechende Kulturprogramm beginnen. (Zu den Wahlergebnissen)
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Mehr Fotos auch im Online-Album: http://picasaweb.google.com/QMSparrplatz/Gebietskonferenz10JahreSparrplatz
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Zur Belohnung gab es ein tolles Showprogramm: Beim "Sächsisch für Anfänger" konnte das Publikum prima mitmachen. Die Gastgeber vom prime time theater und Stars aus "Gutes Wedding, schlechtes Wedding", Constanze Tautorat-Behrends und Oliver Tautorat, gaben Sprechunterricht und zeigten den krassen Alltag im Arbeitsamt Wedding.
Zum Schluss bezog Tima die Göttliche (alias Quartiersratsmitglied Timo Lewandowsky) in ihren Chansons zusammen mit der Milchmeerband ironisch Stellung zum Leben im Allgemeinen und zum Quartiersrat im Besonderen. Wie anders wäre sonst der Daliah Lavi-Song zu verstehen „Meine Art Liebe zu zeigen, das ist ganz einfach schweigen, Worte zerstören, wo sie nicht hingehören…“?
Bei Kaffee und Sekt wurde dann dann aber doch noch viel diskutiert - ein rundum gelungener Abend!
Auf weitere erfolgreiche Jahre Quartiersmanagement Sparrplatz im Sprengelkiez!