Auf einer spannenden Podiumsdiskussion am 16.01. diskutierten Quartiersräte, Quartiersmanager und Politiker über Erfahrungen mit dem Berliner Quartiersmanagement (QM). Fazit: Das erfolgreiche Programm muss wieder besser ausgestattet werden. Nicht überraschend: Auch die Wohnungs- und Mietenpolitik war ein zentrales Thema des Abends.
Der Ort für die Diskussion war gut gewählt, denn das Albert-Schweitzer-Gymnasium konnte nur dank der „Sozialen Stadt“ vor der Schließung bewahrt werden. Hier im Problembezirk schafften noch vor einigen Jahren zu wenige Schüler das Abitur. Mit einem mutigen Ganztags-Konzept und mit Hilfe des QM Flughafenstraße jedoch gelang es, das Gymnasium zu einer beliebten Vorzeigeschule zu machen. (Mehr dazu: http://bit.ly/10HlXpD)
Zunächst hatten die Politiker auf dem Podium das Wort. Der SPD-Bezirksvorsitzende Fritz Felgentreu zeigte sich dankbar für die Arbeit der QM-Teams. Die eingerichtete Ganztagsbetreuung im Albert-Schweitzer-Gymnasium überzeugte sogar den Senat und das Abgeordnetenhaus, ein Ganztagsgymnasium in jedem Berliner Bezirk einzurichten. Mittlerweile sei auch die Berliner CDU für das QM, so Felgentreu.
Von Senator Müller auf die Mieten- und Wohnungssituation in Neukölln angesprochen, warnte Felgentreu davor, der früheren Monokultur mit vielen Hartz IV-Empfängern könne bald eine neue soziale Spaltung folgen, denn die Mieten steigen hier prozentual mehr als anderswo. Es fragt sich, wie man die angestammte Bevölkerung schützen kann. „Wir brauchen überall in der Stadt die unterschiedlichen Lebensentwürfe, Arme und Reiche sollten zusammen wohnen“ so Felgentreu.
Der Abgeordnete Michael Groß ist als Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für das Programm verantwortlich. Er verwies auf den aktuellen Armutsbericht der Bundesregierung und forderte bessere Gesamtstrategien „für ein gutes Leben“, wozu auch Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt/Mindestlöhne und Bürgerbeteiligung gehören. Auch in der Städtebauförderung sehe er weitere wichtige Themen wie z.B. 'bezahlbares Wohnen' und 'bezahlbare Energie' oder 'altersgerechte Wohnungen'.
Vom Publikum gab es viele Anregungen aus der Praxis der Bürgergremien, QM-Teams und Projektträger. Aus den Reihen der Quartiersräte kam der Vorschlag, das Berliner Mitbestimmungsmodell auf die Bundesebene zu übertragen.
Ihre ehrenamtliche Arbeit sei kostbar und solle noch besser in die Stadtteile kommuniziert werden, um z.B. die Beteiligung bei den Quartiersratswahlen zu erhöhen. Als eine starke Ressource sollten sie, mit professioneller Begleitung, unbedingt weiter bestehen. Auch die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Ausländer könnte Bürgerbeteiligung und aktive Mitarbeit steigern.
Ein Vertreter des Lesben- und Schwulenverbandes begrüßte, dass es z.B. in Neukölln gelungen sei, Strukturen gegen Diskriminierung und Homophobie aufzubauen. Allerdings habe man die Verwaltung erst einmal für das Thema sensibilisieren müssen. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Fachverwaltungen lasse manchmal zu wünschen übrig. Es sei eine besonders wichtige Aufgabe des QMs, dass „Leute an einen Tisch kommen und über die Probleme des jeweiligen Quartiers reden“.
Neben der erfolgreichen Partizipation hängt die Glaubwürdigkeit des QMs in Berlin auch vom Erhalt der sozialen Mischung ab. Sozial schwache Bewohner/innen könnten zunehmend durch steigende Mieten belastet werden. Uli Lautenschläger, Quartiersmanager und Mieterberater, glaubt, dass Neubauprojekte nicht ausreichen werden und dass man die soziale Mischung nur mit gesetzlichen Maßnahmen erhalten kann. Andere Experten forderten z.B. Mietobergrenzen bei Neuvermietung und die Absenkung der Modernisierungsumlage.
Susanne Walz, Quartiersmanagerin im Wedding, gab zu bedenken, dass die benachteiligten Jugendlichen aus dem Kiez mittlerweile bei Wohnungsbesichtigungen im Wedding keine Chance auf einen Mietvertrag hätten. „Unsere Jugendlichen müssen dann nach Marzahn ziehen, unsere Fördermaßnahmen beschränken sich aber auf das ursprüngliche Gebiet.“ Für wichtige Aufgaben wie etwa Bildung, Bürgerbeteiligung, und Gesundheitsförderung brauche man ein gut ausgestattetes QM, das Förderprogramme bündelt und das flankiert wird von gleichgerichteten, Ämter übergreifenden Strategien.
Senator Müller wies auf die dynamische, wenn nicht gar dramatische Bevölkerungsentwicklung hin: Bis 2030 müsse sich Berlin auf 250.000 oder sogar 400.000 Zuzüge und entsprechende Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt einstellen. Er versprach, sich weiter für die Reform des (Bundes-)Mietrechts einzusetzen und Umwandlung und Zweckentfremdung zu erschweren, warb aber auch um Verständnis dafür, dass man hierfür rechtlich wasserdichte Lösungen finden müsse.
Staatssekretär Ephraim Gothe kündigte dazu an, auf einer öffentlichen Veranstaltung im März 2013 wolle der Senat hierzu eine Gesamtstrategie vorstellen. Er sei froh, dass die Berliner Wohnungswirtschaft und alle Parteifraktionen konstruktiv daran mitarbeiten. Wegen des Bevölkerungsanstiegs müsse man jetzt auch ausloten, wo noch gebaut werden könne. Der Senat will außerdem ein Förderprogramm auf den Weg bringen für bezahlbare Neubaumieten, so Gothe.
Senator Müller bedankte sich zum Schluss bei allen Beteiligten, die das Zusammenleben in unserer Stadt aktiv gestalten. Der Erfolg des Programms „Soziale Stadt“ sei ein „Dreiklang von 'partizipativ', 'fachübergreifend' und 'lokal'“ und auch dem großen Engagement der Bürgerinnen und Bürger in den Quartiersräten sowie der Arbeit der QM-Teams zu verdanken.
Eine im Anschluss verfasste Resolution kann man auf dem Dachportal der Berliner QMs, www.quartiersmanagment-berlin.de nachlesen: