Interview zur Kinderfarm
S. Kühbauer: Zuerst einmal zur jüngsten Vergangenheit: Das Jahr 2006 war ein sehr spannendes, ereignisreiches und erfolgreiches Jahr für die Kinderfarm. Höhepunkt war das gemeinsam mit dem Telux veranstaltete große Kinderfest, das partiell im Zeichen der Neuwahlen stand; wir durften zahlreiche prominente Besucher begrüßen. Andere Projekte in Kooperation mit dem Telux waren u.a. das Kiezkochbuch für Kinder, das ebenfalls mit finanzieller Unterstützung des Quartiersmanagement Sparrplatz im Rahmen des Programms "Soziale Stadt" realisiert werden konnte. Wir bekommen aber auch Spenden vom AStA der TFH oder ansässigen Bürgern, in der Regel Sachspenden und von der Kleingartenkolonie werden wir freundlichst akzeptiert - Gras und Äpfel gegen Mist finden nicht selten den Weg zu uns. Eine weitere positive Erfahrung war die vielfache Unterstützung durch Sponsoren, vor allem sind hier der Lions-Club-
Berlin "Albert Einstein", der unser Jugendausbildungsprogramm unterstützt
hat, und die "Mutterparty" zu nennen.
KiBo: Wie bitte, die Mutter...was?
S. Kühbauer: Ja, ja, Mutterparty! Das ist eine Gruppe organisierter Mütter, die
sich auf in ihren Augen förderungswürdige Projekte fokussieren. Die haben übrigens eine witzige und spannende Website, auf der auch die Förderung der
Kinderfarm erwähnt wird. Diese Frauen erstellen u.a. unterschiedliche Produkte
und bieten sie im Netz (mutterparty.de) an.
KiBo: Wie sind diese Frauen gerade auf Euch gekommen?
S. Kühbauer: Die Mütter haben mit ihren Kindern unsere Einrichtungen besucht und waren begeistert. Die Frauen verfügen über die unterschiedlichsten handwerklichen Fähigkeiten und bieten ihre Erzeugnisse im Internet an. So hat eine Mutter ein modisches Armband hergestellt, das für 8 Euro im Netz angeboten wird, die Kinderfarm erhält davon 6 Euro. Es kommt also zu spontanen Unterstützungen, die von uns gar nicht eingeplant waren. Das sind erfreuliche Ergebnisse unserer "Familienarbeit", die wir nebenbei erzielen und die nicht zu unseren genuinen Pflichtaufgaben zu rechnen sind. Gemäß unserem Stadtteilanspruch sollen ja Klein und Groß bei uns erscheinen; alleinerziehende Mütter nutzen übrigens unser Angebot sehr ausgiebig.
KiBo: Was geschah sonst noch?
S. Kühbauer: Wir beschäftigten wieder zahlreiche engagierte PraktikantInnen als Gäste; eine Mitarbeiterin der Deutschen Welle drehte im Rahmen ihrer Ausbildung eine filmische Dokumentation über die Kinderfarm.
KiBo: Die Kinderfarm wird über den Kiez hinaus wahrgenommen?
S.Kühbauer: Sicher, wir bekommen Besuch aus dem ganzen Bezirk und
gelegentlich darüber hinaus. Schulen und Kindergärten sind ja auch regelmäßig
vertreten.
KiBo: Was hat sich strukturell und inhaltlich verändert?
S.Kühbauer: Nicht allzu viel, aber im positiven Sinne des Wortes – unsere umfängliche Angebotspalette konnte erhalten und stabilisiert werden. Das Angebot der Kinderfarm wird hauptsächlich von Mädchen wahrgenommen.
Gleichzeitig findet ein Generationenwechsel statt. Es gibt ältere Kinder und
Jugendliche, die sich von der Kinderfarm lösen und für neues Klientel unseren
Erfahrungsraum freimachen - das hat im Jahr 2006 stattgefunden. Inzwischen
kommen auch immer jüngere Kinder. Die Besucherzahlen an den Wochenenden - insbesondere Eltern mit Kleinkindern - sind angestiegen. Die Zahl der Stammkinder ist konstant geblieben. Weiterhin sind die Ponys die größte Attraktion. Die Kooperation mit den Schulen hat sich verstärkt; gerade wurde ein neues Projekt in Zusammenarbeit mit einer Schule gestartet. In Kooperation mit dem Verein "Arbeit, Bildung und Forschung" und mit dem Kiezplenum ist eine Befragung aller Kinder im Kiez zu ihrer Lebenslage geplant. Das soll dazu führen, dass wir entsprechend der Bedürfnislage der Kinder unsere eigene Angebotsstruktur anpassen und verändern. Zu unseren Angeboten zählt auch die Ausrichtung von Kindergeburtstagen inklusive Ponyreiten auf der Kinderfarm.
KiBo: Wie sieht die "kulturelle Mischung" der Kinder aus?
S. Kühbauer: Alle Nationalitäten fühlen sich hier wohl, die soziale Herkunft variiert.
KiBo: Neues in Sachen "Eigentumsfrage" für 2007?
S. Kühbauer: Die Eigentumsfrage ist weiterhin ungeklärt; wir hoffen aber auf
eine konstruktive Lösung. Alles Weitere wird auf Gesprächs- und Verhandlungsebene noch geklärt werden.
KiBo: Was ist perspektivisch für 2007 vorgesehen?
S. Kühbauer: Wir müssen uns dringend um die Frage des Tierbestandes kümmern. Wir haben hier ja eine große Verantwortung gegenüber Mensch und Tier! Unsere Tiere sind im Laufe der Jahre alt geworden und so entstehen Nachwuchssorgen, in der kleinen Tierrepublik genauso wie in der menschlichen Republik.
KiBo: Also, die älteren Tiere sind reif für die Rente, aber die jüngeren Tiere fehlen?
Ganz genau! So wie das in der großen bundesrepublikanischen Welt ist, genauso verhält es sich in der bescheidenen Welt unserer kleinen Farm. Das meine ich auch ernst, denn es geht schließlich um die Frage der Nachhaltigkeit und der Planung. Wenn wir die Angebotsbreite für unsere Kinder erhalten wollen, müssen wir ernsthafte Überlegungen zu unserem Tierbestand anstellen. Praktisch sieht es so aus, dass wir mit den Kindern besprechen, welche Tiere ihnen am wichtigsten sind. Bei den Ponys werden wir uns auf dem "freien Markt" wohl nach einem geeigneten Tier umsehen müssen. Die Einpflegung und Eingewöhnung der Tiere ist ja selbstredend sehr arbeitsintensiv.
KiBo: Und die Anschaffung mit Kosten verbunden!
S. Kühbauer: In der Regel existiert ein reger Austausch zwischen den Einrichtungen, die mit Tieren zu tun haben. Das Pony müssen wir wahrscheinlich kaufen, eventuell helfen uns Sponsoren.
KiBo: Wie ist Euer derzeitiger Bestand?
S. Kühbauer: Sieben Ponys - vor allem für die Mädchen eine große Attraktion.
Das grundsätzliche Problem bleibt bestehen, dass bei Reduzierung des Tierbestandes natürlich auch die Attraktivität der Kinderfarm leiden wird.
KiBo: Die Grundsicherung der Kinderfarm ist gewährleistet?
S. Kühbauer: Ja, die Mittel für 2007 sind gesichert.
KiBo: Höhepunkte im Jahre 2007?
S. Kühbauer: Natürlich das Kinderfest, in der Regel am zweiten Samstag nach den großen Ferien.
KiBo: Wie viele Mitarbeiter und helfende Hände sind auf der Farm ?
S. Kühbauer: Das Angebot ist ja gerade, dass die Kinder mitwirken und helfen; es sind derzeit 20-40 Stammkinder. Die Kinder erfahren viel über Tierpflege und
wählen nicht selten danach ihre berufliche Orientierung, andere Kinder beschäftigen sich mit der Öffentlichkeitsarbeit für die Kinderfarm. Viele Ehemalige kehren als Besucher zu uns zurück - nicht selten mit Partnern und Kindern - oder haben Aspekte der Erfahrung mit uns in ihre berufliche Tätigkeit integriert. Wir gelten - und das ist ja in unserer Republik nicht selbstverständlich - als eine Oase der Kinder- und Familienfreundlichkeit.
KiBo: Herr Kühbauer, wir danken für das Gespräch.
Zur Biografie:
Siggi Kühbauer, zuerst Schwabe, dann Berliner, jetzt auf dem Lande vor Berlin als Landluft schnuppernder freier Bürger lebend, KFZSchlosser, Sozialpädagoge und Soziologe, langjähriger Mitarbeiter bei der Kirche, Tätigkeit im Jugendbereich. Herr Kühbauer wurde zum Segen für den Kiez 1988 endlich Bauer und übernahm in leitender Funktion die Weddinger Kinderfarm e.V.