Der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat eine starke Kürzung der Städtebauförderung und besonders des Programms 'Soziale Stadt' beschlossen. Danach soll es z.B. kein Geld mehr für Projekte der Bildung, Integration oder zur Förderung des Ehrenamtes geben. Auf einer öffentlichen Anhörung dieses Ausschusses am 27. Oktober 2010 im Bundestag wurden Experten und Interessenvertreter auf Antrag der Opposition zu den Kürzungen bei der Städtebauförderung befragt.
"Dürfte ich Sie bitten, das T-Shirt auszuziehen?" bittet mich die nette Polizistin vor Einlass in den Saal. Der Aufdruck "Problemkiezbewohner" ist als politisches Statement nicht zugelassen. Hoffentlich zeigt unsere reine Präsenz, dass die Öffentlichkeit mit den Sparplänen der Regierung nicht einverstanden ist.
Einige Quartiersräte, Quartiersmanager, Kiezläufer und zwei Sprecher des Arbeitskreises der Berliner Quartiermanagementbeauftragten verfolgen die Anhörung mit Interesse. Uli Lautenschläger (Mieterberatung Prenzlauer Berg): "Wir hoffen, die Anhörung führt zu einem Umdenken der verantwortlichen Politiker/innen, so dass wir in den Berliner Gebieten und anderswo unsere erfolgreiche Arbeit fortsetzen können.".
Theodor Winters (S.T.E.R.N. GmbH) und seine Kollegen sehen sich durch die Experten bestätigt. "Seit mehr als 10 Jahren arbeiten wir daran, die soziale Spaltung der Stadt aufzuhalten. Integrations- und Bildungsprojekte oder integrierte städtebauliche und soziale Projekte wie der Campus Rütli sind im Rahmen der 'Sozialen Stadt' entstanden und wären durch die Kürzungen bedroht."
Prof. Dr. Uwe Altrock, der an der Uni Kassel zu Stadterneuerung und Stadtumbau forscht, stellt die Erfolge der integrierten Stadtentwicklung dar. Mit einem geringen und abgestimmten Mittelaufwand werde hier ein inhaltlicher Mehrwert für die Stadtteile geschaffen. Besonders die 'Soziale Stadt' würde wichtige Anstöße geben, Arbeitsplätze fördern und vielfältige Effekte haben.
Als bewährtes System sollte die integrierte Städtebauförderung deshalb weiter entwickelt werden. Mit der erfolgreichen und konfliktvorbeugenden Einbeziehung der Bürger werde "eine unverzichtbare, nicht nur materielle Stadtteilrendite" erzielt, so Altrock.
"Die Menschen, nicht die Häuser machen die Stadt" zitiert Lutz Freitag, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW) den antiken Politiker und Philosophen Perikles. Freitag weiter: "Noch nie hat eine Bundesregierung sich so schnell von guten Zielen durch schlechte Politik verabschiedet."
Seiner Meinung nach gefährden die geplanten Kürzungen den sozialen Zusammenhalt sowie die Entwicklung und den Umbau der Städte und Wohnquartiere. Vor allem die Bündelung von Maßnahmen der baulichen Erneuerung, der Bildung, der Integration und der Arbeitsplatzschaffung erweise sich als nachhaltiger Erfolgsfaktor.
Folkert Kiepe, Vertreter des Deutschen Städtetages und damit der Kommunen, erklärt: "Stadtenwicklung ist eine strategische Zukunftsaufgabe, die nur mit starker und stetiger Städtebauförderung zu machen ist." Auch aufgrund der aktuellen Integrationsdebatte müsse das Programm eher aufgestockt und verstetigt werden. Man dürfe die investiven nicht von den nicht-investiven Mitteln trennen. Gerade durch die Verzahnung verschiedener Ressourcen würde mit dem selben Geld mehr erreicht.
Kiepe weist zugleich darauf hin, dass die Kommunen wenige Möglichkeiten haben, die entfallende Förderung auszugleichen. Denn die kommunalen Haushaltsnotlagen erlauben es meist nicht, andere außer den eigentlichen Pflichtaufgaben zu finanzieren.
Auf den ökonomischen Hebel der Städtebauförderung verweist Dr. Hans-Hartwig Loewenstein, Präsident des Zentralverbands des deutschen Baugewerbes. So würde jeder darin investierte Euro 17 Euro an zusätzlichen Mitteln von Ländern und Kommunen aber auch privaten Investoren anstoßen. Die Halbierung der Fördermittel alleine des Bundes um 300 Millionen Euro würden so einen Ausfall von Investitionen in Höhe von rund fünf Milliarden Euro zur Folge haben, rechnete er vor.
Am letzten Mittwoch hatten rund 400 Berliner vor dem Bauministerium gegen die Sparpläne demonstriert. Mehr rund um das Thema hier: "Rettet die Soziale Stadt".